Kindermünder sprechen oft erstaunliche Wahrheiten aus – Wutbürger*innen im Fernsehen aber auch: „Wer das erfunden hat, ist nicht normal!“ So viel Wahrheit in einem Satz – das fordert eine nähere Betrachtung der neuen Realitäten auf der Praterstraße geradezu heraus!
Dem Virus sei Dank!
Was über Jahre als politische Lösung unerreichbar schien, hat die Corona-Pandemie jetzt praktisch über Nacht geschafft: Eine Autospur auf der Praterstraße stadtauswärts wurde zur Radspur umgewidmet – temporär, um den Radfahrer*innen im Stau den Baby-Elefanten-Abstand zu ermöglichen und sie so vor Ansteckung zu schützen. Seitdem schaukeln Interessensgruppen die Wogen hoch: tägliche Berichte im Fernsehen und in den Zeitungen, heftige Kontroversen in den sozialen Medien.

Fakten statt Emotionen
In der Corona-Krise steigen Menschen von öffentlichen Verkehrsmitteln auf das Fahrrad um. Radfahren ist virensicher und ermöglicht gesunde aktive Bewegung. Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits zu Beginn der COVID19-Pandemie empfohlen, Wege möglichst zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Bereits im April – also noch vor den ersten Lockerungen des Shutdown – verzeichneten die Raddauerzählstellen dramatische Steigerungen gegenüber dem April des Vorjahres.
- Praterstern +35 %
- Lassallestraße +54 %
- Donaukanal + 113 %
Die Umsetzung des Pop-Up-Radweges wurde von der zuständigen Dienststelle MA46 auf Sicherheitsaspekte und Verkehrsverträglichkeit geprüft: Nachdem nur eine von zwei Spuren stadtauswärts wegfällt, sei mit keinen größeren Belastungen für den motorisierten Verkehr zu rechnen. Auch das Abbiegen sei bei allen Kreuzungen nach wie vor möglich. Stadtauswärts ist auf der Praterstraße auch nur halb so viel Kfz-Verkehr wie stadteinwärts – etwas, das denen, die jetzt den Stau auf der Straße befürchten, der vorher definitiv auf der schmalen Radspur der Fall war, oft nicht bewusst ist.

Drei Macherinnen
Sachlich ist also nachvollziehbar, dass Verkehrsministerin Gewessler, Vizebürgermeisterin Hebein und Bezirksvorsteherin Lichtenegger richtig und unverzüglich reagiert haben und einen temporären Radweg, eben eine Pop-up-Bike-Lane, auf der Praterstraße eingerichtet haben. Gelten soll sie bis zum Ende der Sommerferien, also dem 4. September. Was macht eine einfache und zeitlich begrenzte Fahrradspur dennoch so attraktiv als Reibebaum der Gemüter? Was bringt Menschen dazu, Reißnägel auf der Fahrspur der ungeliebten Radfahrer*innen zu streuen? Und warum kontrolliert die Polizei seit Bestehen der temporären Bike Lane täglich die Radfahrer*innen?

Neuverteilung in Corona-Zeiten
Vordergründig geht es bloß um Verteilung. Autofahrer*innen durften über Jahrzehnte unangefochten auf Kosten der Fußgänger*innen und Radfahrer*innen überproportional viel Platz im öffentlichen Raum in Wien beanspruchen. An der „heiligen Kuh Auto“ hängen mächtige wirtschaftliche Interessen. Auf die Eröffnung der zusätzlichen Radspur am 7. Mai in der Praterstraße folgte eine Woche später eine Pop-up-Bike-Lane in der Wagramer Straße im 22. Bezirk. Weitere Straßen werden geprüft. Jeder Meter Fahrradstreifen bedeutet Unsicherheit für diese mächtigen Interessen.
Die Auto-Lobby befürchtet zu Recht einen Dammbruch in der Verkehrspolitik, denn in ganz Europa setzen Metropolen im Fahrwasser der Corona-Pandemie auf das Rad.
Eine Auswahl:
- Paris errichtet bis Juni 50 km temporäre Bike Lanes.
- Brüssel errichtet zusätzliche 40 km an Radwegen und 15 km neue Fußwege.
- Mailand errichtet 35 km zusätzliche Radwege.
Nur in Wien bricht schon bei EINEM km die Weltordnung zusammen….
Corona geht – Klimakrise bleibt
In Summe geht es auf der Praterstraße um mehr als eine Kleinigkeit, die wir den Autofahrer*innen zumuten müssen: Es geht um die Frage, wie wir (miteinander) gut leben können. Die Klimakrise wird uns und kommenden Generationen weit mehr abverlangen als jetzt die Corona-Krise. Sie erfordert eine sofortige, nachhaltige und radikale Änderung unseres Lebensstils. Die Pop-up-Bike-Lane ist ein wichtiger Schritt dorthin!

der weitere radweg ist das beste was für die praterstrasse passieren konnte. staus sehe ich seitdem nach wie vor keine stadtauswärts und ich stehe 12 std täglich am eispult vor der straße um dies beurteilen zu können. lg
Fuer die oberoesterreichen Gruenen ist normal, dass die Welterberegion Salzkammergut zerstoert wird.
Dem kann ich grundsätzlich zustimmen betreffend der Praterstraße auf dieser Höhe (Alberti). Jedoch staut es sich gelegentlich bei der Aspernbrückengasse, was die Ausfahrt aus der Ferdinandstraße oft ein wenig riskanter macht. Besonders auffällig wird das, wenn die Polizeiautos von der Polizeistation Tempelgasse diese Route alternativlos nehmen müssen und die Sirene und das Megaphone mit den Worten „Polizei, bitte lassen Sie uns einfahren“ einschalten. Dies ist als Bewohner dieses Bereichs ein wenig belastend. An sich ist eine Verbreiterung des Radstreifens wünschenswert, aber vielleicht wäre dies mit ein wenig mehr Überlegungs- und Planungsphase besser geglückt.
Damit meine ich im speziellen, dass es möglich sein sollte das Blaulichtwägen so rasch und unbemerkt wie möglich- so wie es auch davor möglich war- die Praterstraße und die angrenzenden Straßen hinter sich bringen können. Ich möchte nicht wissen wie viele lebensrettende Sekunden sich etwa ein Rettungswagen ersparen könnte, wenn dieser ohne Blockaden (davor fahrende Autos in der einspurigen Praterstraße) vorbeifahren könnte.
Unabhängig davon wären Bodenmarkierungen für Fahrradfahrer bei der Überquerung von der Praterstraße 33 zu der Tempelgassse und Czerningasse auch nicht eine schlechte Idee, damit Fahrradfahrer hier konform der Straßenverkehrsordnung die Straße überqueren können und nicht am Fußgängerzebrastreifen wild herumfahren müssen.