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Weblog der Grünen Leopoldstadt


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Lärm, lass nach!

Die Grünen Leopoldstadt und die Grüne Bildungswerkstatt Wien haben am Dienstag, 25.06., einen Vortrag mit dem Umweltmediziner Hans-Peter Hutter veranstaltet. Prof. Hutter ist stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin des Zentrums für Public Health der Medizinischen Universität Wien. Der Vortrag fand bei uns im Grün 2 statt und erfreute sich lebhaften Zuspruchs.

Vor Hans-Peter Hutter präsentierte Stefan Mittermüller von den Grünen Penzing die Ergebnisse seiner umfangreichen Recherchen über die dritte Piste des Schwechater Flughafens. Tatsächlich gäbe es Möglichkeiten, die Lärmsituation über Wien zu verbessern. Durch gekurvten Anflug oder indem man bei Leichtwind andere Pisten anfliegt, könnte man die Belastung vermindern, was nur leider politisch und betriebstechnisch noch seiner Umsetzung harrt.

Hans-Peter Hutter, © MedUni Wien/Matern

Hans-Peter Hutter erläuterte die verschiedenen – direkten und indirekten – Wirkungen von Lärm, deren gesundheitlichen Auswirkungen sowie den Umgang damit. So macht es einen Unterschied, ob Lärm plötzlich und in großer Intensität auftritt oder ob er über längere Zeit einwirkt. Beim Knalltrauma etwa werden Haarzellen zerstört, und durch regelmäßigen Discobesuch kann die Hörfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt werden und in der Folge Tinnitus auftreten. Bei den indirekten, extraauralen, Wirkungen wird nicht das Hörorgan geschädigt, sondern der Lärm betrifft den ganzen Organismus. So kann Umweltlärm zu Beeinträchtigungen im emotionalen Bereich, im Bereich der Leistungsfähigkeit oder etwa zu Herz-Kreislauf-Schäden führen. Dauerhaft gestörter Schlaf gilt ebenfalls als ein Gesundheitsrisiko. Das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall steigt durch chronische Straßenverkehrslärm-Belastung, bei Kindern können Schwierigkeiten auftreten, lesen zu lernen.

Hinsichtlich Lärmempfinden spielen viele persönliche und situative Faktoren eine Rolle – ob man etwa den verursachenden Vorgang als unnötig und vermeidbar empfindet. So kann der Rettungshubschrauber als notwendig eingeschätzt werden, wodurch man bereit ist, das damit verbundene Geräusch zu tolerieren. Das (nächtliche) Zuschlagen einer Tür wird hingegen eher als belästigend wahrgenommen. Die Sensibilität gegenüber Verkehrslärmarten ist unterschiedlich: Fluglärm ist deutlich stärker belästigend als Schienen- und Straßenlärm. Generell ist die Bevölkerung in den letzten Jahrzenten sensibler gegenüber Lärm geworden. Neben Verkehrslärm werden speziell Nachbarschafts- und Baustellenlärm als störend wahrgenommen. Zu den Arten von Nachbarschaftslärm, die zu Beschwerden führen, zählen u.a. der Lärm aus Nachbarwohnungen, von Schanigärten und Klimaanlagen.

Prof. Hutter rät dringend zu weiteren Schutzmaßnahmen vor Lärm. Man müsse dafür sorgen, dass es Ruhezonen gebe, und zwar in zeitlicher und räumlicher Hinsicht. Der arbeitsfreie Sonntag sorgt etwa dafür, dass es merklich ruhiger ist.

Etliche Fragen aus dem Publikum wurden bei unserer Veranstaltung von Hans-Peter Hutter, Bezirksvorsteherin-Stellvertreter Adi Hasch, Bezirksrat Robert Wallner und anderen erörtert.

Die Lärmbelastung für jeden Straßenzug kann man auf laerminfo.at abfragen.

Schlussfolgerung
Was können wir aus Hans-Peter Hutters Vortrag lernen? Es sind natürlich nicht nur die rein physikalischen Eigenschaften wie Schallintensität und Frequenz eines Geräuschs, die es zum Lärm machen. Lärmbelästigung wird auch von anderen Einflüssen deutlich mitbestimmt. Oft wird in Nachbarschaften darüber gestritten, ob eine Tätigkeit, eine Klimaanlage oder irgendein anderes technisches Gerät wirklich nötig ist. Man muss beim Lärm also ganz besonders die soziale Dynamik der Auseinandersetzung beachten. Was aber auch klar geworden ist, ist, dass Verkehrslärm nach wie vor eine große Rolle spielt. Diesem wird durch konsequente Grüne Politik beizukommen sein, die heute aufgrund des Klimawandels eine noch viel stärkere Dringlichkeit hat.

 


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Die Nordbahnhalle: Eine erfolgreiche Zwischennutzung, oder…?

Die Nordbahnhalle ist ein großartiges Projekt, das gezeigt hat, welches Potenzial Zwischennutzungen haben können und wie zentral Gemeinschaftsorte für eine Nachbarschaft sind.

Besonders die Projekte „Mischung Possible“ und im Anschluss „Mischung Nordbahnhof“ haben die Entwicklung der Halle im Zeitraum der letzten beiden Jahre in dieser Form ermöglicht, da sie personelle und finanzielle Ressourcen aufgestellt haben. Der Klima- und Energiefonds und die TU auf Seiten des Bundes und die Stadt mit dem Stadtraum, nicht zu vergessen die Grundeigentümerin ÖBB mit verschiedenen Sachleistungen, haben die Zwischennutzung möglich gemacht.

Ohne die vielen bezahlten und unbezahlten Arbeitsstunden der beteiligten Menschen wäre aber der Betrieb der Halle nicht möglich gewesen. Irrsinnig viel Herzblut und Energie ist in die Nordbahnhalle geflossen und hat sie aufgebaut.

Der Wasserturm mit der Nordbahnhalle inmitten der Gstättn, aus der die Freie Mitte wird: vom Foto-Standpunkt und vom linken Bildrand her wird die Bebauung unmittelbar an den Wasserturm heranrücken.

Ziel der „Mischungs-Projekte“ war es, Dinge als Zwischennutzung auszuprobieren, Netzwerke zu knüpfen und ohne die üblichen scharfen Marktbedingungen Räume für alles Mögliche zur Verfügung zu stellen. Von Anfang an war klar, dass die Bedingungen, zu denen dies geschehen kann, nur für einen begrenzten Zeitraum bestehen können, da die Entwicklung der Bebauung am Nordbahnhof an den Wasserturm heranrückt und die Straßenbahnschleife beim Wasserturm gebaut werden und zumindest ein Teil der Halle weichen muss.

Im Laufe der Zeit haben sich viele Menschen in diesen Ort verliebt. Weil er magische Momente ermöglicht hat, weil er so offen war, weil er dem Grätzl einen Treffpunkt gegeben hat.

Quartiere brauchen Orte, an denen etwas passieren kann, was in einem Neubauquartier aufgrund des funktionalen Designs von Wohnhäusern eben nicht so leicht passiert. Im Zeitraum der letzten beiden Jahre gab es daher eine Reihe von Initiativen, die das Ziel hatten, die Nordbahnhalle zu institutionalisieren und sie auf Dauer zu etablieren. So ein toller Ort soll doch bleiben können, wenn er offenbar so vielen Menschen etwas gibt.

Es gab nichtkommerzielle und kommerzielle Konzepte. Unternehmen, NGOs und Einzelne haben überlegt, wie sie die Nordbahnhalle so umrüsten können, dass sie auch nach dem notwendigen Teilabriss und nach der Gestaltung der Freien Mitte noch weiter funktionieren kann. Aus allen wurde nichts.

Die Freie Mitte und die Halle haben viele kulturelle Events ermöglicht

Warum?

Die Nordbahnhalle ist eine Lagerhalle aus den 60er Jahren. Sie befindet sich derzeit im Eisenbahnrecht, da sie auf dem Grund der ÖBB steht. Wenn Sie im öffentlichen Eigentum genutzt werden soll, muss sie dem Stand der Technik entsprechend umgerüstet werden, was Gebäude- und Veranstaltungssicherheit angeht. Der Teilabriss betrifft nicht nur den vorderen oberirdischen Teil, sondern auch die Unterkellerung. D.h. der Keller muss ebenfalls abgetragen werden, was die Statik des Gebäudes natürlich massiv beeinträchtigt und nach einem Teilabriss aufwendige bauliche Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich machen würde.

Im Gebäude gibt es eine Menge veraltete technische Anlagen, wie zum Beispiel eine Ölheizung, die natürlich auch bei einem Teilabriss abgebaut werden müsste. Dasselbe gilt für die elektrischen Anlagen.

Aus ökologischen Gesichtspunkten ist der Betrieb im jetzigen Zustand eigentlich nicht weiter vertretbar. Nach dem Teilabriss sind keine Anschlüsse für Wasser, Strom, Kanal und keine Anbindung an das Verkehrsnetz mehr vorhanden. Dafür werden die neuen NachbarInnen, vor allem neuzuziehende BewohnerInnen, unmittelbar an das Areal heranrücken und die bisherigen Aktivitäten beeinflussen.

Es ist offensichtlich, dass eine Adaption für eine Nutzung nach einem Teilabriss viel Geld kosten würde. Nur die restlichen Gebäudeteile stehen zu lassen würde nicht gehen, da es keine Gebäudeinfrastruktur mehr geben und vermutlich auch Einsturzgefahr bestehen würde.

Ich durfte selbst bei der Vorstellung eines Konzepts für eine kommerzielle Nutzung der Halle, die einige hundert Quadratmeter als konsumfreien, frei nutzbaren Raum vorsah, dabei sein. Die Adaption hätte zwar einige alte Gebäudeteile erhalten, hätte aber von außen eher als Neubau gewirkt. Um eine Investitionen hereinzubringen wäre etwa ein Viertel mehr Nutzfläche hinzugekommen,  zusätzlich war eine Höhenentwicklung vorgesehen und es hätte natürlich einer Baulandwidmung bedurft.
Wir haben dieses Projekt abgelehnt. Es hätte die Qualitäten des Leitbildes „Freie Mitte – Vielseitiger Rand“, das für die Entwicklung des Nordbahnhofs gilt, gefährdet.

Keine der Initiativen, die eine Adaption der Nordbahnhalle für eine langfristige Nutzung zugelassen hätte, hat sich als machbar erwiesen. Leider. Wegen der Kosten.

Der Wasserturm und die Nordbahnhalle stehen im als Erholungsraum gewidmeten Gelände. Dort sind prinzipiell keine Neubauten zulässig. Um aber eine Adaption des Gebäudes zu ermöglichen, wäre eine entsprechende Widmung notwendig, um rechtlich überhaupt etwas bauen zu dürfen.

In der Vergangenheit haben wir einige Beispiele erlebt, wo mit guten Intentionen Bauland gewidmet wurde, dann aber aus welchen Gründen auch immer nicht die erhofften gemeinnützigen Kulturinstitutionen kamen, sondern kommerzielle Zweckbauten (z.B. beim Augartenspitz). Das darf uns in der Freien Mitte nicht passieren.

Wir haben uns immer – unter der Führung von Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger – dafür ausgesprochen, die Nordbahnhalle zu erhalten, wenn ein sinnvolles Konzept vorliegt.

Zentral dabei war immer, dass wir keine Baulandwidmung wollten, wenn nicht ein ganz klarer, konkreter und gewichtiger öffentlicher Nutzen dabei gewonnen werden kann. Das Leitbild für den Nordbahnhof sieht beim Wasserturm, dort wo die Nordbahnhalle steht, Grünraum vor. Dieser darf auf keinen Fall leichtfertig für irgendeine andere Nutzung hergegeben werden.

Wir stehen zu dieser Position.

Wir haben seit vielen Monaten offen gesagt, dass wir für einen Erhalt der Halle zu haben sind, dass aber kein tragfähiges Konzept da ist und dass in diesem Fall wohl der volle Abriss notwendig wird.

Die IG Nordbahnhalle tritt nun, kurz vor dem Abschlussfest der Zwischennutzung auf den Plan und fordert, dass die Stadt Geld in die Hand nimmt, um die Halle nach dem Teilabriss im Bestand zu erhalten, ohne ein Konzept oder eine konkrete Vorstellung davon zu haben, was dann geschehen soll. Es solle dann partizipativ und ergebnisoffen nach einer Nutzung gesucht werden. Das ganze solle jedenfalls als Kulturprojekt laufen.

Die IG Lebenswerter Nordbahnhof hat mit dieser Initiative nichts zu tun. Die Namensähnlichkeit dürfte aber kein Zufall sein. Das Kulturressort hat zwar grundsätzlich Interesse bekundet, scheint aber eine derartige Investition nicht in seiner Strategie zu haben. Das Planungsressort ist für Kulturnutzungen nicht zuständig. Der Bezirk hat nicht die nötigen Ressourcen und dürfte auch aus rechtlichen Gründen nicht tätig werden.

In den letzten beiden Jahren war klar, dass mit Mitte 2019 die Bagger kommen und dass eine Lösung für die Halle finanzielle Mittel braucht.

In dieser Zeit haben sich sehr viele Menschen aus diversen Szenen, aus der Umgebung engagiert und Überlegungen zum Weiterbetrieb der Nordbahnhalle angestellt. Ohne Erfolg, siehe oben. Die Politik kann Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Potenzialen schaffen. Sie kann aber nicht völlig ergebnisoffen eine nicht bestimmte Summe budgetieren. (Das ist illegal.)

Zwischennutzung at its best: Nordbahnhalle

Meiner Meinung nach ergeben sich aus der aktuellen Situation zwei Aufgaben: 

Die Mischung ermöglichen

Das Leitbild „Freie Mitte – Vielseitiger Rand“ sieht im gesamten Gebiet eine Nutzungsmischung vor, anstelle der funktionalen Trennung, die den modernen Städtebau immer noch prägt. Wir müssen alles tun, um auch im Neubaugebiet unterschiedliche Möglichkeiten der Nutzung zu gewährleisten. Neben Wohnen und Arbeiten muss auch Kultur, soziale Interaktion, Integrationsarbeit und konsumfreie Freizeitgestaltung mit hoher Qualität am Nordbahnhof Platz finden.

Wir müssen hier alle öffentlichen Akteure und auch die Bauträger in die Pflicht nehmen, über den eigenen Schatten zu springen.

Zwischennutzungen durchziehen

Zwischennutzungen haben es oft schwer, weil häufig Widerstände gegen ihre Beendigung entstehen.

Trotzdem muss die Politik weiterhin Initiativen, die aus nicht mehr funktionalen Räumen zwischenzeitlich etwas machen wollen, fördern und unterstützen. Aus solchen temporären Institutionen entstehen Impulse und Energien, die sonst keine Chance hätten. Sie dann weiter zu bündeln und auf Dauer einzupflanzen ist eine Herausforderung. Einige Initiativen, die aus der Nordbahnhalle kommen, werden bereits in anderen Kontexten sesshaft.

Klar ist: Wien braucht „Nordbahnhallen“ – fix oder als Zwischennutzung – als Experimentierort und für Nutzungen abseits des Mainstreams.